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Mission (Werbung der anderen Art)

Familie Aaron und Ilonka Köpke, Neubrandenburg
Familie Aaron und Ilonka Köpke, Neubrandenburg

(Wenn für mich der Glaube an alles Überirdische absurd und wirklichkeitsfern wäre, dann wäre es auch eine Gemeinscahaft von Leuten, die sich treffen, um Gott anzubeten. Wenn sich Christen noch auf die Faahne schreiben, alle Völker zu Jüngern zu machen, sind gewisse Ängste absolut verständlich.)

 

Eine Studentin aus der Neubrandenburger Hochschule fragte mich, was wir als Oase so machen. Sie kannte das Gebäude als früheren Jugendklub. Ich erklärte ihr alles, fing an bei den sozial-missionarischen Angeboten und endete bei Glaube und Gemeindegründung. Sie schaute etwas prüfend und sagte: „Ach so, aber dann missioniert ihr ja gar nicht.“ Da war ich sprachlos. Hatte ich ihr nicht gerade erklärt, wie wir das tun?

 

Ähnliche Situationen erlebe ich immer wieder. Ich erkläre und rechne mit Unverständnis oder einer gewissen Enttäuschung. Doch ich spüre Offenheit und eine gewisse Ahnungslosigkeit, wie wenn es keine richtige „Schublade“ im Kopf gibt für das, was ich mache. Tatsächlich gibt es die nicht, weil der staatlich geförderte Atheismus noch zu DDR-Zeiten bei vielen Menschen einer unbefangenen Religionslosigkeit gewichen ist. 

Eine Frau aus der Stadtverwaltung kam zum Kaffee vorbei, sie wollte alle sozialen Akteure kennenlernen. Zum Schluss meinte sie: „Ich habe ja gar keine Ahnung von Kirche und Glaube. Ich spüre aber in christlichen Initiativen wie eurer eine ganz besondere Wärme und Atmosphäre.“ Als ich bei nächster Gelegenheit versuchte, auf ihre Einschätzung einzugehen und etwas über Gott erklärte, der hinter unserer Arbeit steckt, blockte sie nur ab mit: „Ja, ich kenn mich damit gar nicht aus.“ 

 

Die eigene Unwissenheit beunruhigt Areligiöse enorm. Gespräche mit ihnen sind sehr schnell vorbei. Selbst bei Interesse fehlen ihnen Worte, um etwas zum Thema Gott anzusprechen. Wenn Gott sich ihnen nicht von jetzt auf gleich mit Begegnungen und Wundern selbst vorstellt und ihre materielle Weltsicht aufsprengt, braucht es eine längere Zeit des Zuschauens. Es gibt Menschen, die Christen über Jahre kennenlernen und sich mit ihren Inhalten beschäftigen, um als erstes zu begreifen, dass sie NICHT an Gott glauben. Es ist der Schritt von der Areligiosität hin zum Atheismus. Denn erst durch die Beschäftigung mit dem, was Christen erzählen und leben, kann man eine Meinung dazu bekommen. Andernfalls hat man keine Meinung – auch keine dagegen – und kann nur sagen: „Ich kenn mich da nicht aus.“ 

Manchmal freue ich mich auch, wenn jemand formulieren kann: „Ich glaube nicht an Gott. Das ist nix für mich.“ Trotzdem schätzen sie uns und unseren Einsatz. Es ist hilfreich zu wissen, was uns im Kern unterscheidet. Das hilft zu beobachten und nachzudenken. Welche Lebenskonzepte funktionieren wirklich? Was ist wahr? Was ist hilfreich? Ist Glaube DOCH eine Option? Sie verschließen nicht komplett die Tür, denn trotz ihrer Entscheidung gegen Gott vertrauen uns viele ihre Kinder an!

Wir arbeiten in einem „Missionsgebiet“, wo manche wirklich verständliche Vorbehalte haben und viele auch diese sprachlose Ahnungslosigkeit. Sensibilität ist wichtig und Kontextualisierung: Unser Tun und Reden muss für die Leute, die wir erreichen wollen, möglichst verständlich sein. Das ist etwas, für das man sich bewusst entscheiden muss. Es fordert große Aufmerksamkeit in allem, was man im Gemeindebau plant, sagt und vorlebt. Wir müssen damit rechnen, gar nicht oder nur halb verstanden zu werden. Das gilt besonders, wenn wir unhinterfragt übernehmen, was wir in unseren traditionellen Herkunftsgemeinden gelernt haben. In unserem Kontext ist das Evangelium schwer zu begreifen. Man muss kognitiv schon einige Sachen kapiert haben, um zu verstehen, warum Jesus kam, warum er starb und was das alles mit mir zu tun hat. Christen, die mit Elan missionarisch tätig waren, sind in der Gefahr zu resignieren. Wir probieren einiges, um manchmal zu merken, dass es noch mal einen neuen Anlauf braucht.

Dass sich Menschen abwenden, wenn man eine Wahrheit forsch rübergebracht hat, kann Leiden für Christus sein. Wenn man es sich aber von vornherein durch Herablassung und Taktlosigkeit verbaut, ist das was ganz anderes. Für Arroganz und Weltfremdheit gibt es keinen „Siegeskranz“. Der Auftrag steht fest, die Art und Weise aber müssen wir uns mit Gottes Hilfe erarbeiten. Gute Vorbilder im Neuen Testament – Jesus, Petrus, Paulus, Stephanus – haben auch so gesprochen, dass man sie verstehen konnte. 

Jesus hat sicher mal jemanden konfrontiert und viele verärgert – aber oftmals waren es Hochreligiöse, die sich verärgern ließen, weniger das einfache Volk. Paulus wusste genau, wen er vor sich hatte und hat die Lebenswelt seiner Zuhörer als Hilfestellung genommen, um von Jesus zu erzählen. Petrus und Stephanus haben unglaublichen Mut bewiesen, als sie laut und deutlich in den Straßen von Jerusalem von ihm berichteten, aber sie haben mit den Leuten auf Augenhöhe gesprochen. Die meisten ihrer ersten Zuhörer waren Juden wie sie. Dadurch konnten sie anders anknüpfen als wir es heute in Mecklenburg. 

Eine Wahrheit, die ohne Beziehung, ohne Bezug zu echten Menschen allein im Raum steht, ist unerheblich. Aber in der Nähe zu Menschen werden Wahrheiten über Tod und Leben, über Gott und Menschen, relevant und erfahrbar. Wir arbeiten dafür, dass etwas Schönes unter die Menschen kommt. Nichts anderes passiert in der freien Wirtschaft ständig, teils für sinnlose Produkte, unverschämt, mitunter unsensibel und manipulativ. Für politische Überzeugungen trauen sich Menschen sogar auf die Straße. In dieser offenen und verschiedenartigen Welt haben wir als Missionare auf jeden Fall einen Platz. Wenn wir behutsam und wahrhaftig unsere Arbeit weiterführen, wird das gesehen. Gerade in Ostdeutschland, wo Menschen oft vom Kapitalismus der letzten 30 Jahre bitter enttäuscht sind, werden wir durch die andere, ganzheitliche Art von „Werbung“ noch viel erreichen. Wir müssen eben dranbleiben und uns immer wieder aufraffen. Von nix kommt nix!

 

Aaron Köpke, Oase Neubrandenburg

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